29.09.-01.10.2005 – Bermudavisualisten
„BermudaVisualisten“ war ein spontan bei Kunst und Forum von berliner Visualisten organisierter Side-Event / Gegenveranstaltung zum INFRAME International VJ Battle, das vom 29.09. – 01.10.2005 im Kino Babylon stattfand.
Das wahre Wesen -::- Live-Videokunst – Underground Treffen der VideoJunkies
Wie jede Subkultur die Aufmerksamkeit einer kaufkräftigen Zielgruppe weckt, so weckt auch die „VJ Kultur“ das Interesse in den Medien und lässt einen wirtschaftlichen Nebenzweig entstehen. Wie bei jeder Innovation werden neue industrielle Umsetzungen geboren und neue Produkte rund um die Videokunst erscheinen auf dem Markt, was eigentlich als legitimer Prozess bewertet werden kann.
Gleichzeitig wird der „VJ“ jedoch durch Marketing und Werbung soweit überstilisiert, dass man ihn und das Wesen seiner Kunst kaum noch erkennt. Der Begriff „VJ“ wird auf diese Weise von seiner Kunst gelöst und zu einem lukrativen Schlagwort für Marketing und Werbung.
So häufen sich vermehrt Veranstaltungen rund um die VJ-Kultur, die als Wettkämpfe inszeniert werden. Bei einem derartigen Anlass winken dem „Gewinner“ des Öfteren Preise in Form von kostspieligen Produkten der jeweiligen Sponsoren. Die „VJ-Battles“ stellen atmosphärisch eine Konkurrenzsituation her, bei der der Wettbewerbsgedanke das Hauptprinzip ist. Der kapitalistische Hintergrund einer derartigen Veranstaltung ist leicht zu durchschauen. Es geht bei diesen Battles nur um die Positionierung der eigenen Marke bei der Zielgruppe. „Besser sein als die anderen“ – diese Konzeption von VJ-Kultur widerspricht dem Verständnis von VISUAL BERLIN. Um diese Positionen zu verteidigen, schrecken einige Mitglieder des Vereins auch nicht vor unangemeldeten Spontan-Laptopjams als Form des Protestes zurück, wie es beispielsweise bei dem „Bermudavisualisten-Event“ im Oktober 2005 der Fall war.
Es geht uns um das Erschaffen einer gemeinsamen Kunst, um Reflexion und gegenseitige Inspiration und nicht um kalkuliertes Product-Placement, bei dem die Kunst als solche höchstens den Anlass, nicht aber den Zweck darstellt.
Besonders ärgerlich ist, dass schon die Ausschreibungen dieser Wettbewerbe häufig vom völligen Unverständnis des Entstehungsprozesses von Projektionskunst zeugen. Aus einem aktuellem Anlass, dem dreitägigen „INFRAME international VJ battle“ vom 29.9. – 01.10.2005 wurden verschiedene VJ hier in Berlin deshalb aktiv.
Das im Kino Babylon ausgetragene „Battle“ trug eher die Züge eines Marketing-Events als die eines fairen künstlersichen Kräftemessens. Bei eingehender Lektüre des Informationsmaterials wurde schnell klar, dass der Veranstalter die Essenz der Videoprojektionskunst nicht annähernd verinnerlicht hat. Er versuchte, sich anhand des Begriffes „VJ“ ein Bild davon zu machen, dabei wurden z.B. die Informationen über den Beriff ungeniert und unreflektiert von WikiPedia kopiert.
Ein weiterer Fehlversuch, den Begriff der Projektionskunst zu verstehen und zu präsentieren, wurde durch die Koppelung des Begriffes „VJ“ mit „DJ“ versucht. Die das Battle begleitenden Workshops befassten sich, neben schlichter Präsentation der Sponsor-Software ausschließlich mit dem Bereich des DJ-ing.
Für das Battle konnten die Teilnehmer nach langer Diskussion zwar ihr individuell zusammengestelltes Set-Up mitbringen – doch ursprünglich sollten die Künstler nur eigenes Videomaterial mitbringen. Der INFRAME Veranstalter wollte ausschließlich eigene Windows Rechner und die Software des Sponsors „Resolume“ zur Verfügung stellen und argumentierte mit dem Hinweis auf Chancengleichheit bei gleichem Set-Up. Offensichtlich wurde hier der Fehler begangen die Veranstaltung mit einem „DJ Battle“, bei dem die Teilnehmer auch mit den selben Plattenspielern auflegen, gleichzusetzen. Diese Einstellung ist aus der Sicht eines VJs absolut unverständlich. Der Computer ist nicht Handwerkzeug sondern „ein“ Instrument des Projektionskünstlers, eine Weiterentwicklung der analogen „Lichtorgeln.“ Viele Videokünstler programmieren ausserdem ihre eigene Software, was sich auf den individuellen Stil besonders auswirkt.
Die Kunst der Videoprojektion ist ein kreatives Zusammenspiel aus verwendetem Videomaterial, der vom Künstler favorisierten Software, und der intuitiven Bedienung individueller Hardware. Insgesamt kann der Schaffensprozess mit dem Spielen eines Instrumentes verglichen werden, auf dem improviesiertes oder vorab eingeübtes Material präsentiert wird.
Da wir die Veranstaltung unter dem Ãœberbegriff „VJ-Battle“ für den Austausch über und die Präsentation von Projektionskunst für völlig ungeeignet hielten, entschlossen wir uns, im Sinne eines künstlerischen Netzwerkgedankens eine alternative Gegenveranstaltung an, sowohl um unsere Protest kundzutun und um das soziale Gleichgewicht in der öffentlichen Wahrnehmung wiederherzustellen.
Wir wollten unter sozialen Bedingungen ein öffentliches Jamming austragen, in dem wir unsere Kunst zeigen, sie spontan miteinander kombinieren, experimentieren, uns austauschen und gegenseitig inspirieren konnten.
Jeder, der sich über unsere Projektionskunst informieren oder sein favorisiertes Videoinstrument in einen unserer Mixer einstöpseln wollte, war herzlich eingeladen. Statt Wettbewerb und tollen Preisen boten wir Austausch und Netzwerk, Antworten auf Fragen, Technik zum herumspielen und kühles Bier.
Am Abend des 1.10.2005 organisierten wir ein Treffen direkt vor dem Kino Babylon, an der Südseite des Rasendreiecks vor der Volksbühne, im Kiezdialekt „Bermudadreieck“ getauft, und besorgten uns Strom aus dem Café direkt nebenan. Da es an dem Abend regnete, durften wir glücklicherweise auch die großen Schirme, sowie Tische und Stühle des Cafés nutzen, um unser Equipment geschützt aufbauen zu können. An einem Bauzaun wurde eine Leinwand installiert und alle anwesenden VJs konnten ihre Laptops und Mixer mit dem mitgebrachten Beamer verbinden und spontan ihren Mix präsentieren. Mit dabei waren die Visualisten fRED, HilmiKillme, Leinwandler, AKAH74, Kiritan Flux, fAlk und Syntax Error. Die Musik wurde von MoGreens von den Kulturtaikonauten aus Kleinmachnow aus seinem Transporter geliefert. Insgesamt war die Aktion trotz schlechtem Wetters amüsant und wurde positiv aufgenommen. Da Kiritan Flux am selben Nachmittag das VJ Battle im Babylon besucht hatte und dort mit den Teilnehmern diskutierte, Flyer für die Bermudavisualisten Veranstaltung verteilte und Kontakte knüpfte, kamen auch einige der Battle Teilnehmer abends nach draußen um sich unsere Protestaktion anzusehen und um mit uns zu plaudern.
Gegen Mitternacht zogen alle Teilnehmenden zur Zentralen Randlage am Senefelder Platz um sich dort aufzuwärmen und den Abend gebührend weiterzufeiern. Bei Musik von DJ Carlo von lynX, den Elektromods und dem Live Set von Konsensrecords wurde ein kooperativer Laptopjam durchgeführt, bei dem sich im Laufe der Nacht mehr und mehr VJs abwechselten, teilweise sogar Visualisten aus dem INFRAME Battle, die mit unserer Aktion sympathisierten.
Obwohl die Party in der Zentralen Randlage gegen 3:00 von der Polizei wegen Ruhestörung aufgelöst werden musste, kamen viele tanzwütige Gäste und feierten mit uns. Angesichts der Tatsache, dass während der drei Tage INFRAME nur insgesamt vielleicht 20 Gäste als Zuschauer dort waren, kann man die Bermudavisualisten Aktion als einen vollen Erfolg verbuchen.
Diese spontane Gegenveranstaltung bewies uns, dass VJs in Berlin auch kooperativ zusammenarbeiten können und dass darin großes Potential schlummert. Neben dem VJ Stammtisch verhalf uns die Bermudavisualisten Veranstaltung zu dem Entschluss, einen berliner Verein für Videokunst zu gründen und das gemeinsame Potential auszuschöpfen.
Aus der internationalen VJ-Szene erwachsen neben den kommerziellen Marketing-Events Veranstaltungen wie AVit, das ContactEurope Festival oderdie EqualEyes Conference. Sie werden von Videokünstlern selbst organisiert und dienen dem gegenseitigen Austausch, der Verbreitung und Präsentation der eigenen Kunst in der Öffentlichkeit und der gegenseitigen Inspiration.
VISUAL BERLIN sieht sich in dieser Tradition und möchte sich als ein weiterer Knotenpunkt der weltweiten VJ Kultur etablieren und seinen Teil dazu beitragen.
Vielen Dank an alle die da waren, insbesondere an fRED, Inga, Kiritan Flux, MoGreens, fAlk, Leinwandler, Pixel Royal, Carlo von lynX, Martin & Phillipp (Elektromods), Peter & Lenard (Konsens), Egoshooter, Renée (Zentrale Randlage), Hilmi, Nicolas Bourbaki, Aron, Mediamash, Kapitan Fracasse, Impulskontrolle, Devon Miles, VCap (Superpositioners), Danke an die Polizei für die praktische Umsetzung der Redensart ‚Man soll gehen wenn’s am schönsten ist.‘ Gratulation an die Gewinner des Inframe Battles, Alex et Jeremy, Grüße an alle anderen tapferen Inframe Kombattanten: Schneeweisschen & Rosenrot, Tofa, Neon Golden, moccu, E-Gruppe, Pfadfinderei, FMMF, Visuarte, Cinemata, Superonda
Zeitplan:
20:00 – 00:00 – Guerilla Beaming vor dem Kino Babylon
00:00 – 04:00 – After Party in der Zentralen Randlage
Musikprogramm:
20:00 – 00:00 – MoGreens
00:00 – 01:30 – Carlo von LynX
01:30 – 02:30 – Konsensrecords
02:30 – 03:30 – Elektromods