Guter VJ, schlechter VJ – das ewige Thema

(dieser artikel liegt bei mir schon ewig in der warteschleife und wird jetzt endlich mal rausgehauen)

Die Frage wann ein VJ ‚gut‘ oder ’nicht so gut‘ ist wurde schon unzählige Male unter Kollegen am Kneipentresen und auf vielen VJ-Festivals diskutiert und meist gerät man in endlose Diskussionsschleifen über Ästhetik und technisches Know-How. Einen gemeinsamen Nenner zu finden ist häuftig schwierig, denn trotz der grenzenlosen technischen Gesichtspunkte bleibt die Diskussion über das VJing letztendlich eine Diskussion über Kunst und diese scheitert in der Regel an dem Punkt darüber objektiv urteilen zu können.

Bei vjcentral.de, der erfreulicherweise mittlerweile wieder sehr aktiven Plattform der deutschsprachigen VJ-Szene, existiert seit 2007 ein nicht totzukriegender Diskussionsthread, der sich genau dieser Frage widmet und eine Zusammenfassung darüber ist schon längst überfällig:

Pixelschubser versucht, die Qualitäten eines VJs an der Nachvollziehbarkeit und Finesse der Umsetzung seines VJ-Sets festzumachen und bezieht sich dabei auf Aussagen von Paul Spinrad, dem Autor des VJ-Books. Er zieht einen Hierarchiebogen vom DVD rippenden und Internet-Clip sammelnden Sample-VJ über den kreativen VJ, der eigenes Material filmt und am Rechner produziert bis hin zum genialen VJ-Nerd, der seine eigene Soft- und Hardware bastelt. Pixelschubser’s Qualitätsmaßstab ist Neugier – wenn er sich bei der Betrachtung eines VJ-Sets fragt, wie zum Teufel das gemacht wurde, dann bedeutet es für ihn Qualität.

VJSAW hält diesen Maßstab für unzureichend und hält dagegen, dass ein guter Musiker ja auch nicht nur gut ist, wenn er sein eigenes Instrument bauen kann, sondern was am Ende dabei rauskommt. Für VJSAW ist die Qualität eher eine emotionale Reaktion des Betrachters – „weg geflasht sein“ von dem was man sieht bedeutet Qualität. Er räumt jedoch ein, dass man bei der ganzen Diskussion festhalten sollte, auf welcher Ebene man hier über Kunst redet. Seiner Meinung nach hätte diese im Club-Kontext genauso wenig verloren wie Free Jazz auf einer Schlagerparty.

Ratman wirft ein, dass allein die Betrachtung von Technik und Individualität der Inhalte auch nicht der Frage nach Qualität gerecht werden, sondern allein das Ergebnis. Als Beispiel nennt er Chris Cunningham’s genialen Star Wars Remix, bei dem weder Inhalt, noch Technik besonders innovativ waren, das Ergebnis aber trotzdem sehr respektabel ist.

Stadkind schließt sich mit der Aussage an, dass der eigene Style am wichtigsten sei. Das Ziel sollte sein, dass sich die Besucher nach einer Veranstaltung positiv an das VJ-Set oder die positive Ausstrahlung der visuellen Atmosphäre erinnern. Als Seitenhieb zu Pixelschubsers anfänglich geäußerten technokratischen Hierarchie stellt er fest, dass ein Bäcker auch nicht dann gut sei, wenn er seinen eigenen Ofen baue.

Ein VJ Neuling und ehemaliger Lightjockey schaltet sich in die Diskussion ein und stellt fest, dass ihm die Reaktionen und das positive Feedback seitens der feiernden Besucher am wichtigsten sei – woraufhin movebandit sich zu der Aussage hinreißen lässt, dass man nicht einfach alle VJs über einen Kamm scheren könne, da es ganz klar zwei Richtungen gebe: den „Künstler-Typ“ und den „Unterhalter-Typ“, die man in der Qualitätsbetrachtung unterscheiden müsse. Dieses Statement trifft auf allgemeine Zustimmung.

Titcher und Ratman diskutieren über die Frage, ob solch eine Kategorisierung überhaupt sinnvoll ist. Titcher meint, solange man sich als VJ immer weiterentwickeln möchte und es immer etwas gibt, was man besser machen könne, sei man gut. So bald man mit sich rundum zufrieden sei, wechsle man zum VJ Typ „Unterhalter“ und entwickle sich nicht weiter. Ratman hält Kategorisierungen für unsinnig und findet es müßig darüber zu streiten.

Yochee greift den Diskussionsfaden auf und findet, man müsse den Spagat schaffen, sich mit der eigenen Arbeit zu identifizieren und sich treu zu bleiben und gleichzeitig der Masse zu gefallen, für die man ja schließtlich die Visuals präsentiert. Er schließt mit einem Zitat Picassos:

Seit die Kunst nicht mehr die Nahrung der Besten ist, kann der Künstler seine Talente für alle Wandlungen und Launen seiner Phantasie verwenden. Alle Wege stehen einem intellektuellen Scharlatanismus offen. Das Volk findet in der Kunst weder Trost noch Erhebung. Aber die Raffinierten, die Reichen, die Nichtstuer und die Effekthascher suchen in ihr Neuheit, Seltsamkeit, Originalität, Verstiegenheit und Anstößigkeit. Seit dem Kubismus, ja schon früher, habe ich selbst alle diese Kritiker mit zahllosen Scherzen zufriedengestellt, die mir einfielen und die sie um so mehr bewunderten, je weniger sie ihnen verständlich waren. Durch diese Spielereien, diese Rätsel und Arabesken habe ich mich schnell berühmt gemacht. Und der Ruhm bedeutet für den Künstler: Verkauf, Vermögen, Reichtum. Ich bin heute nicht nur berühmt, sondern auch reich. Wenn ich aber allein mit mir bin, kann ich mich nicht als Künstler betrachten im großen Sinne des Wortes. Große Maler waren Giotto, Tizian, Rembrandt und Goya. Ich bin nur ein Spaßmacher, der seine Zeit verstanden hat und alles, was er konnte, herausgeholt hat aus der Dummheit, der Lüsternheit und Eitelkeit seiner Zeitgenossen.

nonsleep hat vor ein paar Tagen den Thread wiederbelebt und meint dazu, dass es ihm immer wichtig gewesen sei, dass seine Visuals „tanzbar“ sind und für ihn ein VJ dann ‚gut‘ ist, wenn dieser die Stimmung auffängt, wiederspiegelt und in die Höhe treibt. Wenn er ein Gefühl für Bildharmonie und Rythmus hat…das Ganze eben ein Gesamtes gibt.

Den Thread gibt es hier bei vjcentral.de

Die Frage nach der Qualitätsbewertung eines VJs wird warscheinlich nie klar beantwortet werden können und immer ein subjektives Thema bleiben, jedoch lohnt es sich, darüber weiter zu diskutieren und die Diversität der Aussagen als Gesamtergebnis zu betrachten. Kunst bleibt Kunst und ebenso die Frage ob und in wie weit VJing überhaupt Kunst ist.